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Namen wie Schall und Rauch

Jon Lord mit seinem Klassikensemble im Mozartsaal

Wie er etwas gelangweilt am Fenster sitzt und in melancholisch getönter Stimmung den Vögeln draußen in der schönen Schweizer Alpenwelt zuschaut, wie er dabei Sir Edward Elgars "Enigma-Variations" in sich aufsaugt und sich sagt: "Mensch, das hätte ich auch gekonnt!", das alles sehen wir bei diesen sanft dahinfließenden Kammermusik-klängen vor unseren Augen.

Gleichzeitig weiß jeder im nicht ganz ausverkauften Mozartsaal, daß der noble Herr mit diesem graugewordenen Schnauzbart damals, gut dreißig Jahre ist's schon her, es vorgezogen hat, mit ein paar befreundeten Rabauken zusammen Krach zu machen und damit weltberühmt zu werden. Der Herr im feinen Zwirn heißt Jon Lord und ist im Hauptberuf Tastengott bei der Hardrockkapelle Deep Purple.

Rundherum zufrieden mit seinem Hardrock-Job ist er ja nie gewesen, und nicht nur einmal hat es ihn zur Klassik gedrängt. "Gemini Suite" und "Sarabande" hießen diesbezüglich die Werke, die er der Anhängerschaft als Komponist schon in den siebziger Jahren geschenkt hat. Doch nun stellt er seinen treuen Fans, die auch schon mal ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Smoke on the water" tragen, zusammen mit einem elfköpfigen Kammermusikensemble sein neuestes Opus "Pictured within" vor. "Here be friends, here be heroes, here be sunshine" und ein paar andere schöne Sätze säuselt ein junger Sänger mit Stoppelfrisur im Titelstück. Die Streicher führen maßvoll den Bogen um geschmackvoll gebrochene Akkorde, ein Perkussionist läßt süß die Glöcklein klingen, der Synthesizer entrollt einen weichen Klangteppich, und drei Sängerinnen trällern genauso entspannt, wie es früher im ARD-Nachtprogramm gang und gäbe war. Ein ums andere Stück spätromantischer Kammermusik vergeht, als sei nichts passiert, und alles ist so hübsch wie harmlos. Herr Lord spendiert von seinem Flügel aus schon mal ein paar verschmitzte Blue Notes oder macht auf Dave Brubeck. Dazwischen gibt er den ironisch daherplaudernden Zwischenansager und wird einem als geläuterter Hardrockheld immer sympathischer. Selbstlos uneitel überläßt er die Bühne auch mal seiner Sängerin Sam Brown, die als Zugabe ihren Hit "Stop" aus den achtziger Jahren sehr sensibel intoniert und dafür viel Beifall bekommt. Freundlich beherrscht und geradezu provozierend entspannt wirkt das alles.

Vielleicht hat sich ja so mancher Fan insgeheim gewünscht, der leibhaftige Ritchie Blackmore möge erscheinen und so richtig den Rauch reinlassen. Doch der ist ja auch nicht mehr, was er einmal war. "Smoke on the water" haben sie jedenfalls nicht als Streichquartett intoniert, und auch sonst ist an diesem Abend nichts passiert, was man einem mit dem Namen Jon Lord als künstlerische Großtat hätte anrechnen können. Doch Namen sind ja Schall und Rauch.

Ulrich Bauer // Stuttgarter Zeitung